Die Zeit der geheimen Wünsche (1988)

Die Zeit der geheimen Wünsche (1988)
Žánr
Bücher für Kinder und Jugendliche
Nakladatelství
Beltz und Gelberg

Die zwölfjährige Kapka ist in die Prager Altstadt umgezogen. Neugierig erobert sie sich ihre neue Umwelt und lernt dabei die interessantesten Menschen kennen, wie die gleichaltrige Teresa, die schon verliebt ist, den frechen Radek, der als Hobby Menschen sammelt, oder die alte Gräfin, die vielleicht hypnotische Kräfte besitzt. Doch nicht nur ihre Umgebung, auch sie selbst verändert sich. Ob das seltsame Kribbeln im auch, wenn sie mit Radek auf dem Mäuerchen sitzt und die Sterne beobachtet, etwas mit dem Älterwerden zu tun hat? Es ist alles sehr spannend, und Kapka hat das Gefühl, dass es viele Dinge gibt, auf die sie sich freuen kann.

Beltz und Gelberg Verlag, 1988, illustriert von Peter Knorr

„Ich muss nach Hause“, sagt Kapka. „Morgen fahren wir ganz früh zu Papa und Großvater aufs Land.“ Sie springt über eine Wasserpfütze und lenkt ihre Schritte zurück zur Straße.
Radek schlendert hinter ihr her. „Warte, ich bringe dich nach Hause. Das hab ich deiner Mutter doch versprochen.“

„Mach dir keine Umstände. Ich verpetz dich nicht!“
„Und was ist, wenn ich will?“ Schon hat er sie eingeholt. Er steht mitten in der Einfahrt. Durch das geöffnete Haustor fließt das seidene Licht der Gaslaterne von der Straße herein.

„Damit du mich wieder nass machen kannst?“ Sie lacht. Laut. Damit will sie das wilde Klopfen ihres Herzens übertönen. Radeks Nähe versetzt sie in Erregung, es macht sie aber auch nervös.

„Damit ich mich mit dir unterhalten kann.“
„Worüber?“
„Zum Beispiel darüber, dass du nicht so übel bist.“
„Auch wenn ich ein Brülläffchen bin?“
„Auch wenn du ein Brülläffchen bist.“
„Auch wenn ich kein Rotschopf bin?“
„Auch wenn du kein Rotschopf bist.“ Er hat sich mit seinen Handflächen an die Mauer hinter ihrem Kopf gestützt. Da hat er sie schon wieder in der Zange. Er lächelt sie an, irgendwie starr. Auch er versucht, seine innere Unsicherheit zu maskieren. Der Abstand zwischen ihren Köpfen verkleinert sich langsam. Da geht Kapka abrupt in die Hocke. Durch einen Schritt zur Seite entwindet sie sich seiner Umarmung. Sie springt zum Ausgang.

„Aus mir machst du kein Exemplar in deiner Sammlung, damit du´s weißt!“ In Sekundenschnelle ist sie auf dem Bürgersteig. Sie schlägt die schweren Türflügel der Einfahrt hinter sich zu und läuft weg.

„Was spinnst du denn?“, vernimmt sie seine Stimme hinter ihrem Rücken. „Du bist wohl nicht ganz gar?“

Kapka schweigt. Sie dreht sich nicht um. Wenigstens einen Moment lang will sie allein sein. Nur mit ihren Gedanken. Sie zieht den süßen Duft der aufblühenden Akazien ein, und aus einer plötzlichen Freude heraus, von deren Ursprung sie nicht die leiseste Ahnung hat, wirft sie beude Schuhe in die Luft. Sie fliegen nicht zum Himmel, um wie zwei Sterne zu erstrahlen, was sie unbewusst erwartet hat, sondern der eine prallt an der Bank ab, und der zweite fällt Kapka direkt auf den Kopf.

„Nein!“, ruft sie und kichert, „Ich bin wohl nicht ganz gar!“

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