Wo bist du, Rhabarber? (2004)

Wo bist du, Rhabarber? (2004)
Genre
Bücher für Kinder und Jugendliche
Verlag
Mladá fronta

Rhabarber ist ein seltsames Mädchen, das auf einem Rhabarberstrauch aufgewachsen ist. Sie sieht zwar wie alle andere Kinder aus, besitzt aber ganz ungewöhnliche Fähigkeiten. Unter anderem kann sie sich ohne Weiteres unsichtbar machen. Sie kann auch mit den Tieren sprechen, mit den Fledermäusen fliegen und außerdem vergisst sie nie etwas. Deshalb suchen die Bewohner einer weit entfernten Insel sie aus, um die Welt zu retten, die am Rand einer großen Katastrophe steht. Und Rhabarber zögert kein bisschen und geht an die Arbeit. Sie erlebt eine Menge Abenteuer, denkt einen originellen internationalen Wettbewerb aus und hilft schließlich auch einem alten Schiff und seinem Kapitän. Rhabarber ist einfach einzigartig!

Kam zmizela Rebarbora? – czech – Mlada fronta 2004

 

 

Als Rhabarber sechs geworden war, ließ Florentin sie einschulen.

„Kannst du irgendein Lied singen, Rhabarber?“, fragte die Lehrerin. Rhabarber dachte kurz nach und nickte.

„Ich kenne eins von einem Hund“, sagte sie. „Aber ich weiß nicht, ob ich mich an alle Worte erinnern kann.“

„Versuch es“, sagte die Lehrerin. Sie dachte, dass Rhabarber Hund, Katze, Maus kriechen ins Haus singen möchte. „Wenn du nicht weiter weißt, dann helfe ich dir.“

 

Oben im Norden, wo Wolf  und Bär
jagen im Schnee  bei Tag und  bei Nacht,
lebt einsam mit seinem Hund  und Gewehr
Jerry Lou, der dem Tod  ins Gesicht  lacht,

 

begann Rhabarber eine alte Ballade zu singen, die sie von Florentin gelernt hatte. Die Ballade hatte zwölf Strofen, eine seltsame Melodie und es waren viele Fremdwörter in ihr, aber Rhabarber ließ nichts aus und konnte sich an alles erinnern – auch wenn sie sich beim Singen fast das Ohr abriss.

„Das ist ja toll, was für ein gutes Gedächtnis du hast, Rhabarber“, sagte die Lehrerin mit Bewunderung. „Ich möchte auch ein solches haben!“

„Das ist leicht, wenn Sie sich mal an etwas nicht erinnern können, dann ziehen Sie einfach an Ihrem Ohr. Oder zupfen Sie wenigstens ein bisschen dran“, riet Rhabarber ihr.

Die Lehrerin bedankte sich für den Ratschlag und als sie allein war, probierte sie es gleich aus. Erst zupfte sie nur leicht am linken Ohrläppchen, dann am rechten und zum Schluss zog sie heftig an beiden Ohren. In dem Augenblick fiel ihr ein, dass heute der Namenstag ihrer Oma war. Wie ein Blitz schoss sie aus dem Klassenraum, rannte zum Kiosk auf der anderen Straßenseite und kurz bevor es geschlossen wurde, hatte sie noch ein Geschenk gekauft: zwei Sets mit Karten von Eishockeyspielern – gerade die, die noch in Omas Sammlung fehlten.
Am Ende des Sommers bekam Rhabarber einen Schulranzen, eine Federmappe, neue Schuhe und sie fing an in die erste Klasse zu gehen. Anfangs war sie begeistert.

„Ich habe das schönste r in der ganzen Klasse geschrieben!“, erzählte sie Florentin. „Und ich kann ohne Fehler bis zwanzig zählen!“

Florentin war froh.
„Nur weiter so!“, ermunterte er sie. „Zählen zu können ist sehr wichtig! Und der Buchstabe r auch. Ohne ihn könntest du meinen und deinen Namen überhaupt nicht aussprechen. Versuch es mal!“

Sie versuchten es zusammen. Den ganzen Abend riefen sie sich Floentin! und Ababe! und lachten, bis ihnen der Bauch weh tat. Aber es verstrichen ein paar Wochen und Rhabarber begann sich in der Schule zu langweilen. Es reichte, dass sie ein neues Wort einmal las, und schon konnte sie sich es merken. Es reichte, dass sie eine Rechenaufgabe richtig löste, und nie wieder machte sie einen Fehler in dieser. Während die anderen Kinder wieder und wieder die selben Fehler beim Rechnen und Schreiben machten, guckte Rhabarber aus dem Fenster und dachte, dass es viel lustiger wäre mit Florentin auf dem Schiff zu sein als in der Klasse sitzen zu müssen.

„Morgen geh ich nicht zur Schule“, informierte sie Florentin am Abend. „Ich werde dir auf dem Dampfer helfen.“

„Fällt etwa der Unterricht aus? Oder ist die Lehrerin krank?“, fragte Florentin.

„Ich gehe nicht zur Schule, weil sie mir keinen Spaß mehr macht“, erklärte Rhabarber. „Ich kann schon alles.“

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